Adipositas Blog

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Geruch, Geschmack und Übergewicht

Veröffentlicht am 14. Oktober 2008 von

Dass Konferenzen der „Association for Chemoreception Sciences“ zunehmend auch für Adipositas-Forscher interessant sind, zeigt die aktuelle Online-Ausgabe von „Chemical Senses“. Diese beinhaltet die Abstracts vom „15th International Symposium on Olfaction and Taste“, das mit mehr als 1000 Wissenschaftlern dieses Jahr vom 21. bis 26. Juli in San Francisco, USA, stattfand.

Etwas mehr als 20 Abstracts beschäftigen sich direkt mit dem Zusammenhang zwischen Schmecken, Riechen und Übergewicht. Dabei spielen Veränderungen an den Geschmacksrezeptoren ebenso eine Rolle wie mittels funktioneller Magnetresonanztomografie messbare Reaktionen im Gehirn auf wohlschmeckendes Essen. Drei dieser interessanten Arbeiten stelle ich im Folgenden vor.

Effects of Peppermint Scent Inhalation on Appetite Control and Caloric Intake (Raudenbush B et al., S65)

Forscher der amerikanischen Wheeling Jesuit University haben festgestellt, dass der Geruch von Pfefferminz den Appetit verringert, Hungergefühle dämpft und zu einer geringeren Kalorienzufuhr führt. Diejenigen Probanden, die wochentags alle 2 Stunden den Pfefferminzgeruch einatmeten, nahmen in einer Woche knapp 500 Gramm ab – im Gegensatz zu denjenigen Probanden, die nicht diesem Duft ausgesetzt waren. Bryan Raudenbush und seine Kollegen führen den Gewichtsverlust darauf zurück, dass die „Pfefferminz-Einatmer“ weniger Fett und Zucker verzehrten. Dieser Pfefferminzeffekt könnte ihrer Meinung nach besonders für Unternehmen interessant sein, die Produkte zur Gewichtsabnahme herstellen.

Hier stellt sich allerdings die Frage, ob der Zusatz von Pfefferminz in einem Produkt denselben Effekt hervorruft wie der Geruch alleine. Zudem dürften Allergiker nicht erfreut sein, in Diätprodukten zukünftig neben Soja noch ein weiteres potentielles Allergen wie Pfefferminz zu entdecken. Personen, die auf Birken-, Beifuß- oder Gräserpollen oder auf den Aspirin-Wirkstoff Acetylsalicylsäure allergisch reagieren, können wegen der Kreuzallergien auch Probleme mit Pfefferminz haben.

Vom Geruch zum Geschmack – inwieweit Übergewichtige eine verringerte Fähigkeit haben, den Fettgehalt im Essen wahrzunehmen, untersuchte Beverly Tepper von der amerikanischen Rutgers University in New Brunswick.

Decreased Ability to Discriminate Differences in Fat Content of Italian Salad Dressings is Associated with Increased levels of Obesity in healthy African-Americans (Breen CL et al., S133)

Ihr Team ließ dazu afro-amerikanische Männer und Frauen, die einen mittleren BMI von knapp 30 kg/m2 aufwiesen, Salatdressings mit Fettgehalten zwischen 5 und 55 % verkosten. Dabei zeigte sich als Trend, dass mit wachsendem Bauchumfang die Fähigkeit sank, die Dressings unterscheiden zu können.

Interessant ist nun in diesem Zusammenhang das Ergebnis einer zweiten Studie mit diesen Probanden:

Prop Taste Insensitivity is Associated with Decreased Ability to Detect Differences in the Fat Contents of Salad Dressings in African-American Men (McLean JD et al., S132)

Hier stellten die Forscher fest, dass bei den Männern, nicht aber bei den Frauen, ein Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung der unterschiedlichen Fettgehalte und dem PROP-Tasterstatus besteht. Wer den Geschmack der Substanz 6-n-Propylthiouracil (PROP) als bitter empfindet, kann auch fettarmes von fettreichem Dressing unterscheiden.

Wird also nur derjenige dick, der eine fehlende Bitterwahrnehmung hat?

Bisherige Forschungsergebnisse zeigen, dass hier ein Zusammenhang mit den Pilzpapillen besteht. Personen, die den bitteren Geschmack von PROP am stärksten wahrnehmen – sogenannte Supertaster – , haben auch die meisten dieser Papillen. Bei Nontastern, die PROP kaum oder nur sehr schwach als bitter empfinden, finden sich dagegen die wenigsten Pilzpapillen. Da das Vorhandensein von Fett auf der Zunge maßgeblich durch texturale und visköse Eindrücke vermittelt wird, bedingt eine höhere Anzahl von Pilzpapillen eine schnellere Weiterleitung der Signale durch den Trigeminusnerv.

Dass pathologische Veränderungen in diesem Nervenbereich zu Übergewicht führen können, war bereits am 21 August 2008 hier im Blog zu lesen.

Besonders das Team um Linda Bartoshuk von der Yale University in New Haven, USA, forscht seit längerem auf diesem Gebiet. Bereits 2003 und 2004 konnten sie zeigen, dass erwachsene Supertaster, die in der Kindheit unter Mittelohrentzündungen oder Kopftraumata litten, zu Übergewicht neigten. Alle bevorzugten sowohl fettreiche als auch bittere Lebensmittel – alles Dinge, die ein Supertaster im Gegensatz zum Nontaster sehr stark wahrnimmt und eher ungern verzehrt. Da die Geschmacksfasern der Chorda tympani durch das Mittelohr verlaufen, scheint eine Schädigung einerseits die Geschmackswahrnehmung der vorderen zwei Drittel der Zunge zu beeinflussen, andererseits die Hemmung des Trigeminusnerves hervorzurufen. Da letzteres insbesondere die Fettwahrnehmung betrifft, haben diese Personen laut Barthosuk zwar ursprünglich „den Mund eines Supertasters, aber den Appetit eines Nontasters entwickelt“ – und damit entsprechend an Körpergewicht zugenommen.

Man darf also auch zukünftig auf weitere interessante Impulse von den Geruchs- und Geschmackexperten hoffen!

LITERATUR:
Abstracts des Symposiums:
Chemical Senses 2008, 33 (8): S1-S175
http://chemse.oxfordjournals.org/current.dtl

Für interessierte Leser bietet die Übersicht von Beverly Tepper einen guten Einstieg in die aktuelle PROP-Forschung:
Nutritional Implications of Genetic Taste Variation: The Role of PROP Sensitivity and Other Taste Phenotypes (2008). Annual Review of Nutrition, 28: 367-388
http://arjournals.annualreviews.org/toc/nutr/28/1

Auf deutsch kann ich dazu das Kapitel 5 (S. 107-122) meiner Dissertation anbieten, das ebenfalls auf den Zusammenhang zwischen PROP-Tasterstatus und Körpergewicht eingeht:

Kreuter, Petra (2008). Veränderung der Beliebtheit und der Wahrnehmung von Fett im Verlauf eines Gewichtsreduktionsprogramms für Adipöse: Einfluss von Fettverzehr, Körpergewicht und PROP-Tasterstatus. ISBN-13: 978-3-940333-99-5, www.sierke-verlag.de oder
URL: http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2008/5651/

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