Prävention beginnt bereits im Mutterleib
Veröffentlicht am 23. Februar 2009 von Richard Kessing
In epidemiologischen, klinischen und experimentellen Studien hat sich gezeigt, dass Übergewicht der werdenden Mutter, Überernährung im Mutterleib und Überernährung des Neugeborenen dessen späteres Erkrankungsrisiko erhöhen können. In einer britischen Studie mit Kindern, die durch Leihmütter ausgetragen wurde, konnte gezeigt werden, dass der BMI der Leihmutter das Geburtsgewicht des Kindes stärker beeinflusst als das Gewicht der natürlichen Mutter. Als Ursache dafür kommt damit der Ernährungszustand der Schwangeren in Frage.
Weitere Befunde zeigen, dass eine hohe mütterliche Energiezufuhr- unabhängig davon, ob diese permanent oder erst während der Schwangerschaft auftritt- eine deutlichen Einfluss auf das Geburtsgewicht des Kindes hat. So ist das Makrosomierisiko, d.h. das Risiko für ein Geburtsgewicht >4000g bzw. >4500g bei Kindern adipöser Frauen mehr als verdoppelt, bei Kindern massiv adipöser Frauen sogar mehr als verdreifacht.
Etwa ein Drittel aller Frauen im gebärfähigen Alter sind heute in Deutschland übergewichtig, etwa 10 Prozent leiden an einem überwiegend unentdeckten und somit unbehandelten Schwangerschaftsdiabetes. Dies führt nicht nur zu erhöhten Risiken für Mutter und Kind bei der Geburt, sondern auch zu erhöhten Langzeitrisiken. Eine systematische Review von Studien ergab einen ziemlich eindeutig linearen Zusammenhang zwischen erhöhtem Geburtsgewicht und späterem Übergewichtsrisiko. Damit steigt auch das Risiko eines späteren Diabetes mellitus Typ 2.
Einen weiteren Einfluss auf das Übergewichtsrisiko des Kindes hat die frühkindliche Ernährung. So scheint Stillen das Risiko im späteren Kindes- oder Erwachsenenalter Übergewicht zu entwickeln zu verringern. Jeder Monat des Stillens reduziert das Risiko des Kindes, später Übergewicht zu entwickeln um 4 Prozent‚ wobei nach 7 bis 9 Monaten ein Plateau erreicht wird. Stillen beeinflusst damit sowohl das Risiko für Diabetes mellitus Typ 2 als auch für Herz-Kreislauf-Krankheiten positiv.
Die Befunde zeigen, dass es im Interesse der Gesundheit von Mutter und Kind Übergewicht und eine übermäßige Gewichtszunahme in und während der Schwangerschaft zu vermeiden.
Auf dem Journalistenseminar der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V., anlässlich der Präsentation des Ernährungsberichts 2008 empfahl Professor Plagemann, Berlin, dass die zusätzliche Energieaufnahme normalgewichtiger Frauen im Bereich zwischen 200 und 300 kcal/Tag liegen sollte.
Übergewichtigen Frauen mit Kinderwunsch wird eine Gewichtsnormalisierung vor der Schwangerschaft empfohlen. Die Gewichtszunahme während der Schwangerschaft sollte sich nach dem Body Mass Index vor der Schwangerschaft richten. Diese beträgt 12,5 bis 18 kg für untergewichtige Frauen; 11,5 bis 16 kg für normalgewichtigen Frauen; 7 bis 11,5 kg für übergewichtige Frauen sowie mindestens 6 kg für adipöse Frauen.
Nach Auffassung von Professor Plagemann beginnt die entscheidende, lebenslange Weichenstellung im Sinne einer Prägung von Krankheitsveranlagungen bereits im Mutterleib und in den ersten Lebenswochen. Außenfaktoren, wie Ernährung oder Hormone programmieren dauerhaft die Funktionsweise von Organen und Organsystemen. Im Falle von Störungen dieser „Programmierung“ können daraus z.B. Übergewicht und Diabetes mellitus entstehen. Mit einer Erweiterung des Untersuchungsspektrums während der Schwangerschaft wäre eine frühzeitige Prävention möglich und erfolgreich.